Der Weimarer Totentanz, ein Gemäldezyklus von Dieter M. Weidenbach

Der Weimarer Maler Dieter M. Weidenbach, geboren 1945 in Stendal, war Meisterschüler bei Professor Willi Sitte auf Burg Giebichenstein. In der Vergangenheit machte er von sich reden als ein Künstler, der provoziert. 1985 wurde er aus der DDR ausgebürgert. Nach der Wende kehrte er zurück, um die Eltern, Geschwister und Freunde wiederzusehen. Er war wütend darüber, wie die "Wessis die Ossis über den Tisch zogen", wie Immobilienmakler und Autohändler einfielen, wie sich Neid und Habgier breit machten. Wenn er versuchte zu warnen, bekam er Krach. Also zog sich Weidenbach zurück und begann seine künstlerische Abrechnung mit dem historischen Wandel:

Von Dezember 1992 bis April 1993 schuf er im Berliner Atelier am Checkpoint Charlie den Weimarer Totentanz, eine 19,6 Meter lange Bilderfolge, insgesamt 40 Quadratmeter groß. In zwölf Szenen sieht man handelnde Gerippe und Menschen, die in Ereignisse des 3. Reichs oder Wendegeschehnisse verstrickt waren:

  1. Der Tod als Wurstbrater
  2. Good bye Germany - Eine Vertreibung aus Weimar
  3. Krieg der Gerippe
  4. Der Tod als Trompeter
  5. Gekreuzigter
  6. Der Tod als Trommler
  7. Der Zug der Sieben Todsünden im Jahr der Deutschen Einheit
  8. Brudermord
  9. Kunstfest zu Weimar
  10. Zwiegespräch des OB am Schlangenstein
  11. Die Versuchung des Malers Antonius
  12. Der Dichter, die Grazien und der Tod.

Im ersten Bild grillt der skelettierte deutsche Michel die landestypische Spezialität, Thüringer Rostbratwürste. Danach geht es um den Holocaust; jüdische Künstler und Gelehrte werden von einem SS-Mann mit der Peitsche bedroht. Es folgt ein Gemetzel: Todesgestalten, die einander bekriegen und damit die Teilung Deutschlands herbeiführen. Die Kreuzigungsgruppe symbolisiert den Untergang der Menschlichkeit, nicht etwa Hoffnung auf Erlösung. Besonders deutlich wird diese Sichtweise im nächsten Bild, dem Auszug der Sieben Todsünden. Ein Tross, bestehend aus Geiz, Maßlosigkeit, Neid, Stolz, Trägheit, Unkeuschheit und Zorn, Mickey Maus, Dagobert Duck, Altnazis sowie dem Sandmännchen, leitet nach dem Fall der Mauer über zum Brudermord. Was in Weidenbachs Zyklus dominiert, ist der schöne Schein beim Künstlerfest in Weimar, dargestellt durch die aus dem Pfingstwunder bekannten Flämmchen auf den Köpfen der Magnaten, zu deren Füßen junge Frauen und ein Dämon kauern. Dann folgt das Motiv der Versuchung: Der Bürgermeister, begegnet dem Knochenmann im Park an der Ilm, der Künstler wird von den Gestalten der Geschichte heimgesucht und präsentiert am Ende flankiert von Personifikationen des Lebens und des Todes die Blaue Blume als Zeichen der Hoffnung.

Bei der ersten Ausstellung des Totentanzes im Frühsommer 1993 erkannten sich einige der von Dieter M. Weidenbach dargestellten Personen wieder, so zum Beispiel der OB, der wenig später abgewählt wurde, einzelne Kulturschaffende oder einer der Hofschranzen um Prinz Michael von Preußen, "der alles wieder haben wollte". Der Zyklus erregte schließlich überregionales Aufsehen und ging für eine Ausstellung zum 3. Jahrestag der Deutschen Einheit ans Staatstheater Saarbrücken, wo er zur Inszenierung von Ödön von Horváths Geschichten aus dem Wienerwald im Foyer der Alten Feuerwache stand. Dort wurde das Werk nach Ende der Spielzeit wie eine Bühnendekoration zerstückelt. Weidenbach klagte auf Schadensersatz, unterlag und hatte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Einzelheiten des Rechstreits lesen sich wie eine Verschwörungstheorie. 1996 entstand für die Nationalgalerie in Rio de Janeiro eine veränderte Neufassung. Drei Jahre später schuf der Künstler für die Faust-Inszenierung des Freien Werkstatt Theaters in Köln eine verkleinerte Version.