Charles Baudelaire: Danse macabre, 1857.
Ernest Christophe
Stolz wie ein Lebender auf ihren edlen Wuchs, mit großem Blumenstrauß,
mit Taschentuch und Handschuh, zeigt sie den Gleichmut und das lässige
Gehabe einer hageren Koketten, die sich närrisch spreizt.
Sah man im Ballsaal je eine schmalere Taille? Ihr aufgebauschdes Kleid
in seiner königlichen Weite fällt üppig auf einen dürren Fuß, den, hübsch
wie eine Blume, ein knapper Schuh zwängt, auf dem ein Pompon sitzt.
Die Rüsche, die am Rand der Schlüsselbeine tändelt, wie ein Bach, der
lüstern sich am Felsen reibt, verteidigt schamhaft gegen dumme Späße die
düstren Reize, die sie zu verbergen trachtet.
Ihre tiefen Augen sind ganz aus Leere und aus Finsternissen, und ihr
Schädel, mit Blumen kunstvoll überkleidet, schwankt sacht auf seinen zarten
Wirbeln. - O Zauber eines närrisch aufgeputzten Nichts!
Manche werden dich ein Zerrbild heißen, doch diese in das Fleisch vernarrten
Buhler begreifen nicht die namenlose Eleganz des menschlichen Gerüstes.
Du bist, großes Gerippe, ganz nach meinem Geschmack!
Kommst du mit deiner mächtigen Grimasse und willst das Fest des Lebens
stören? oder spornt ein alter Kitzel noch dein lebendes Gebein, daß es
leichtgläubig in den Hexentanz der Lust sich stürzt?
Hoffst du beim Sang der Geigen, bei der Kerzen Glanz den Alptraum zu
verscheuchen, der dich höhnt, und willst du den Wirbelstrom der Orgien
bitten, daß er die Hölle erfrische, die in deinem Herzen flammt?
Unerschöpflicher Born der Dummheit und der Sünden! Uralter Qualen ewige
Retorte! Durch das gekrümmte Gitter deiner Rippen sehe ich, wie unersättlich
dich die Natter noch durchkriecht.
Ich fürchte allerdings, daß deine Koketterie hier keinen Preis erringen
wird, der ihre Mühen lohnt; wer denn von diesen sterblichen Herzen versteht
sich auf den Spott? Nur die Starken berauschen an den Reizen des Grauens
sich!
Der Abgrund deiner Augen, voll gräßlicher Gedanken, haucht Schwindel
aus, und die klugen Tänzer wird es bitter würgen, wenn sie das ewige Lächeln
deiner zweiunddreißig Zähne schauen.
Und doch: wer hat nicht ein Gerippe an die Brust gedrückt, und wer hat
nicht von Grabesdingen sich ernährt? Was liegt am Wohlgeruch, an Kleid
und Putz? Wer hier den Heiklen spielt, zeigt, daß er sich selbst für schön
hält.
Bajadere ohne Nase, unwiderstehliche Metze, sprich doch zu diesen Tänzern,
die sich an dir ärgern: »Ihr aufgeblasenen Galane, trotz der Künst des
Puders und des Rouge, riecht ihr alle nach Tod! 0 moschusduftende Skelette,
Welke Zierbengel, Dandies mit glatten Wangen, gefirnißte Kadaver, weißhaarige
Gecken, der Reigentanz des Todes reißt euch alle taumelnd hin, an Orte,
die keiner kennt!
Von den kalten Kais der Seine bis an des Ganges heiße Ufer hüpft und
wälzt sich die Herde der Sterblichen, und keiner sieht in einem Loch der
Decke die Trompete des Engels, unheimlich gähnend wie ein schwarzer Büchsenlauf.
In jedem Klima, unter jeder Sonne bewundert, o Menschheit, dich der Tod,
wie du in deiner Albernheit dich windest und verrenkst, und oft, wie du
mit Myrrhe sich parfümierend, mischt er in deine Narrheit seine Ironie!«
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