Miguel de Cervantes Saavedra: Der sinnreiche
Junker DON QUIJOTE von der Mancha, 1615.
Don Quijote wollte Sancho Pansa eine Antwort geben; aber ihn hinderte
daran der Umstand, daß ein Wagen quer über die Straße
einbog, der mit den mannigfaltigsten und seltsamsten Personen und Gestalten
beladen war, die man sich vorstellen kann. Der Mann, der die Maultiere
führte und das Amt des Kutschers versah, war ein mißgestalteter
Teufel. Der Wagen war offen, so daß der Himmel hineinschien, ohne
ein Zelt oder ein Korbgeflecht zum Dache. Die erste Gestalt, die sich
Don Quijotes Blicken darbot, war die des Todes in eigner Person, jedoch
mit einem Menschengesicht; neben ihm zeigte sich ein Engel mit großen
buntbemalten Flügeln; zur Seite befand sich ein Kaiser mit seiner
dem Anscheine nach goldenen Krone auf dem Kopfe; dem Tod saß zu
Füßen der Gott, den man Kupido nennt, ohne Binde vor den Augen,
jedoch mit Bogen, Köcher und Pfeilen. Auch war ein Ritter dabei,
von Kopf zu Füßen bewehrt, nur daß er nicht Sturmhaube
noch Helm aufhatte, sondern einen rings mit Federn in allen Farben geschmückten
Hut. Hinter diesen Personen zeigten sich noch andre, an Tracht und Aussehen
verschieden.
Alles dies, das ihrem Blick so unversehens erschien, machte Don Quijote
einigermaßen stutzig und erfüllte Sanchos Herz mit Furcht;
aber alsbald erheiterte sich Don Quijotes Gemüt, da er glaubte, es
biete sich ihm ein neues, ein gefahrvolles Abenteuer, und in diesem Gedanken
und mit willigem Mut, jeder Fährlichkeit entgegenzugehen, sprach
er: "Karrenführer, Kutscher oder Teufel, oder was du bist! Sage
mir unverzüglich, wer du bist, wohin du ziehest und wer die Leute
sind, die du in deinem Karren fährst, denn selbiger sieht eher nach
Charons Nachen aus als nach einem jener Wagen, wie sie üblich sind."
Darauf antwortete mit freundlichem Tone der Teufel, indem er den Wagen
anhielt: "Senor, wir sind Schauspieler von der Gesellschaft AngúIos
des Bösen; wir haben in einer Ortschaft hinter diesem Hügel
heute morgen, da die Oktave des Fronleichnams ist, das geistliche Spiel
vom Reichstag des Todes aufgeführt und sollen es heut nachmittag
in jener Ortschaft aufführen, die man von hier aus sieht; und weil
sie so nahe ist und weil wir die Mühe sparen wollten, uns auszukleiden
und wieder anzuziehen, reisen wir in dem Kostüm, in dem wir spielen.
Der junge Mann hier spielt den Tod, der andre einen Engel, hier die Frau,
welche die des Direktors ist, die Königin; der andre einen Soldaten,
jener den Kaiser und ich den Teufel, und ich bin eine der Hauptpersonen
in dem geistlichen Spiel, da ich bei dieser Gesellschaft die ersten Rollen
spiele. Wünscht Euer Gnaden noch was andres über uns zu erfahren,
so fragt mich, und ich werde Euch aufs genauste antworten, denn da ich
ein Teufel bin, so ist mir nichts verborgen."
Auf fahrenden Ritters Wort", entgegnete Don Quijote, als
ich diesen Wagen sah, war ich der Meinung, es biete sich mir ein großes
Abenteuer; aber jetzt sag ich, man muß die Erscheinungen rasch mit
den Händen greifen, um sich vor Täuschung zu bewahren. Geht
mit Gott, ihr wackren Leute, haltet euer Fest ab und seht zu, ob ihr mir
etwas aufzutragen habt, worin ich euch nützlich sein kann, und ich
werde es willfährig und gerne tun; denn von Kindheit auf war ich
auf Mummenschanz erpicht, und in meinen Jünglingsjahren verfolgte
ich die Komödianten immer mit sehnsüchtigen Augen."
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