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Herwig Zens: Das radierte Tagebuch

Das radierte Tagebuch von Herwig Zens in der Schweinfurter Bibliothek Otto Schäfer

Unser Wiener Mitglied Herwig Zens, geboren 1943, mittlerweile Akademieprofessor im Unruhestand, erlitt 1977 einen ersten Herzinfarkt. Seither führt er Tagebuch auf schmalen Tafeln aus Kupfer im Format 5 x 40 Zentimeter. Im Lauf von 30 Jahren ist die Chronik seines Lebens auf mehr als 500 Druckplatten angewachsen, die Auskunft geben über den Termin und die Umstände der Entstehung eines Werks. Lassen Sie sich ein auf die Bandes dessinées, die gezeichneten Streifen, wie Comics so zutreffend im Französischen heißen. Sie können dann nachlesen, an welcher unserer Tagungen Herwig Zens teilgenommen hat, oder aber, wann er die Totentänze schuf, die, ergänzend zum Tagebuch, in der Bibliothek Otto Schäfer präsentiert werden: Basel, Füssen, Lübeck und das Buch mit Elfriede Jelinek.
Der Künstler beschreibt das radierte Diarium als Obsession, als sinnlosen und unverzichtbaren Teil seines Alltags zugleich:

Auf Kupferabfallstücken begann ich ... das Datum einzuritzen und irgendwelche mehr oder minder sinnvolle Bemerkungen zum laufenden Tag zu machen. Das war am Anfang nur das Niederschreiben des Datums, fallweise kamen dann Zeichnungen dazu ... Sehr früh schon wurde immer wieder festgehalten, wenn ich nicht in Wien war ... Manchmal steht beim einzelnen Tag keine Bemerkung mehr, sondern nur eine Zusammenfassung wie der Dauerbrenner Kals in Osttirol, wo ich mich seit vielen Jahren herumtreibe, Paris taucht immer wieder auf oder Rom oder Athos. Teilweise ist das ganz praktisch, weil man nachschauen kann, wo man war. Irgendwann sind auch Unmutsäußerungen oder Äußerungen der Bewunderung für irgendetwas dazugekommen, zuerst irgendwelche Geschichten über die Schule [Herwig Zens war Kunstlehrer], über Konferenzen, die ganze Tage gestohlen haben. Daran hat sich nichts geändert, statt der Schule ist die Akademie gekommen. Gar nicht aus Bosheit, sondern einfach so, wie man mit sich selbst spricht von Zeit zu Zeit. So stehen eben dann Bemerkungen über Fakten oder manchmal auch über Personen dort, wie "ist ein Trottel" oder sonst etwas Schmeichelhaftes. Zuerst waren das reine Strichätzungen, in der Zwischenzeit sind auch andere Techniken dazugekommen, Aquatinta zum Beispiel. Das Ding läuft und läuft und läuft. Irgendwann wird es wohl sein natürliches Ende finden. Wozu das Ganze gut ist und was man damit machen soll, weiß ich nicht. Die Leute amüsieren sich zum Teil darüber, können andere damit ärgern oder ärgern sich selbst darüber, aber das ist eigentlich nicht der Zweck.

Das Tagebuch existiert in zahlreichen Varianten: Zunächst werden alle Platten einzeln in einer Auflage von 30 Exemplaren abgezogen. Außerdem gibt es Zusammendrucke ganzer Jahre, drei gebundene Ausgaben, individuelle Zusammen-, Probe- und Fehldrucke. Für die Ausstellung in Schweinfurt werden alle Seiten, in denen die Stadt erwähnt ist, zum Druck nebeneinander gedruckt. 1995 setzte sich Herwig Zens erstmals in den Kopf, alle bis dahin entstandenen Tagebuchplatten an einem Stück zu drucken, insgesamt 20 Meter. Diese Fassung wurde auf der art multiple in Düsseldorf noch im selben Jahr als "längste Radierung der Welt" präsentiert. Da die Eintragungen mit der Zeit immer ausführlicher wurden, war die Rolle ein Jahrzehnt später bereits 40 Meter lang. Das Ergebnis, für das Kurt Zein seine Druckerei in Wien vollständig umgebaut hat, können Sie bis Ende des Monats in Schweinfurt sehen, begleitet von Kupfern, Einzelseiten und Jahresdrucken, gebundenen Exemplaren sowie Schriften von und über den Motor des Projekts. Zur Bibliothek Zens' in der Bibliothek Schäfer gehören eine vom Künstler selbst gestaltete Truhe und ein Lesestuhl.
Um bei all dem nicht den Überblick zu verlieren, hat Herwig Zens ein eigenes Archiv für das Tagebuch in Hinterbrühl eingerichtet. Sein Wiener Atelier war dafür längst zu klein. 2005 wurden die Bilder digitalisiert, so dass man heute mit Hilfe eines Namens- und Ortsregisters gezielt nach Einträgen suchen kann. Da es keinen Ausstellungskatalog gibt, plädiere ich dafür, dass das Tagebuch und der Film darüber baldmöglichst als DVD in den Handel kommen.

Gelegenheit zur Besichtigung der Ausstellung Herwig Zens – Das radierte Tagebuch in der Bibliothek Otto Schäfer, Schweinfurt, besteht bis zum 30. November, Dienstag bis Samstag von 14-17 Uhr, sonntags von 10-17 Uhr.

Letzte Aktualisierung: 17.10.2007

Anschrift

Europäische Totentanz-Vereinigung, Leipziger Straße 48, 06766 Bitterfeld-Wolfen
Henry Schuhmacher (Präsident) Mail: h.schuhmacher@totentanz-online.de