Orgelkonzert von Manuela Erlinger
Wenn der Tod mit dem Leben tanzt
Propsteikirche Herz Jesu |
Lübeck 3. Mai 2003, 12 Uhr
|
Programm:
Johannes M. Michel: Afro Cuban – A Tribute to Leonard Bernstein
aus den Jazz Präludien für Orgel
Ernst Ludwig Leitner: Totentanz – Chaconne
über „Der grimmig Tod mit seinem Pfeil“
Noel Rawsthorne: Dance Suite for Organ
March – On Ilkley Moor
Dancing Feet
Waltz
Danse des Papillons
Line Dance
Wolfgang Sauseng: Ballo per organo
Guy Bovet: Salamanca, Hamburger Totentanz aus Trois
préludes hambourgeois
Johannes Matthias Michel (* 1962), Jazz Präludien für
Orgel
Johannes Matthias Michel wuchs in Gaienhofen am Bodensee
auf. Er studierte Klavier in Basel, anschließend Kirchenmusik
in Heidelberg und Frankfurt und absolvierte das Solistenexamen im
Fach Orgel an der Musikhochschule Stuttgart. 1999 übernahm er
das Amt des Kirchenmusikdirektors an der Christuskirche in Mannheim
und das Landeskantorat Nordbaden. Michel ist Vorsitzender der Karg-Elert-Gesellschaft
und unterrichtet an der Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg
eine Orgelklasse in künstlerischem und liturgischem Orgelspiel.
Die Jazz-Präludien wurden 1998 komponiert. Es sind kurze, witzige
Stücke, von denen jedes einen Choral zitiert.
Afro-Cuban – A tribute to Leonard Bernstein verarbeitet sowohl
bekannte Melodien von Bernstein wie auch den jubilierenden Choral
"In dir ist Freude".
Ernst Ludwig Leitner (*1943), Totentanz
Ernst Ludwig Leitners erster Kontakt mit der Musik des 20.
Jahrhunderts war während seiner Gymnasiumszeit, vorwiegend Musik
von J.N.David und Paul Hindemith, vermittelt durch seine späteren
Lehrer J. Fr. Doppelbauer und Aug. Fr. Kropfreiter. Ein weiterer wichtiger
Einfluss, der ihn nachhaltig prägte, war die Musik von Olivier
Messiaen. 1970 übernahm er den von J.N.David gegründeten
Bach-Chor in Wels, 1973 wurde er Leiter der Abteilung Musikpädagogik
an der Musikhochschule Mozarteum Salzburg und 1978 wurde er ebendort
o. Hochschulprofessor für Tonsatz.
Cesar Bresgen schrieb über Ernst Ludwig Leitner „... Das
Erreichen einer Synthese klanglicher Farbwelt und überkommener
polyphoner Gesinnung dürfte Leitner vornehmstes Anliegen sein...“,
wobei der Komponist selbst noch hinzufügte „Die Auseinandersetzung
mit Werken der Wiener Schule war für mein Schaffen letzlich am
prägensten“.
Seinen Totentanz komponierte er 1974 für Orgel, später überarbeitete
er ihn als Fassung für Streicher. Ein leiser, unruhiger Tanzbeginn
steigert sich im Verlauf des Stückes bis zum überwältigendem
Schluss, der plötzlich abreißt.
Noel Rawsthorne (* 1929), Dance Suite For Organ
Noel Rawsthorne begann seine Musikerkarriere als "chorister"
in der Kathedrale von Liverpool und studierte später am "Royal
Manchester College of Music". Er setzte seine Studien später
in Paris bei Marcel Dupré und in Siena bei Fernando Germani
fort. 1949 wurde er Domorganist-Stellvertreter in der Kathedrale von
Liverpool und schließlich Domorganist – was er 25 Jahre
lang bis 1980 blieb. Danach wurde er zum Organisten und künstlerischen
Leiter der "St. George´s Hall" in Liverpool berufen.
Er war bis 1993 auch "Senior Lecturer" für Musik am
"St. Katherine‘s College" in Liverpool. 1994 wurde
ihm von der "University of Liverpool" der Ehrendoktortitel
für Musik verliehen.
Er schrieb seine Dance Suite anläßlich des Galakonzertes
im Oktober 1997 zur Vollendung der Renovierung der "Father-Willis-Orgel"
in der Stadthalle von Huddersfield, Yorkshire. Er wählte Musik
weltlicher Art und ließ sich dazu von verschiedenen Tanzformen
inspirieren.
Sein March ist genaugenommen kein Tanz, jedoch stattet er ihn mit
tänzerischen Effekten aus. Da Huddersfield oft als Hauptstadt
von Yorkshire angesehen wird, schwingt sich der Marsch um eine bekannte
Melodie aus dieser Region: On Ilkley Moor.
Dancing Feet ist ein kurzes Tanzstück, mit Elementen aus dem
Jazz, bei dem Organisten ihre Geschicklichkeit im Pedalspiel unter
Beweis stellen müssen.
Mit dem Waltz ändert sich die Stimmung, indem ruhigere Solostimmen
wie Streicher und Flöten hervorgehoben werden.
Im Danse des Papillons werden Schmetterlinge beschrieben, wie sie
geschäftig von Blume zu Blume fliegen, manchmal aus Wonne einen
Walzer tanzen und sich über die Farben und Düfte der Natur
freuen.
Line Dance ist ein Potpourri aus bekannten Melodien, das einer aus
Irland stammenden Tanzform nachempfunden wurde. Abgeschlossen wird
es mit einer Reprise des ersten Satzes.
Wolfgang Sauseng (* 1956), Ballo per organo
Wolfgang Sauseng studierte Komposition bei Anton Heiller
und Erich Urbanner an der Musikhochschule Wien, außerdem Kirchenmusik,
Orgel und Orchesterdirigieren. Seit 1977 ist er Organist an der Michaelerkirche
in Wien, überdies Gründer und Leiter des Vokal- und Instrumentalensembles
„Capella Archangeli“. Ab 1989 unterrichtet er Tonsatz
und kirchliche Komposition der Abteilung Kirchenmusik am Mozarteum
Salzburg. Seit 1996 ist er o.Prof. an der Musikhochschule Wien.
„Auf der ständigen Suche nach neuen Möglichkeiten,
sich im Spannungsfeld zwischen Tonalität und Freitonalität
zu bewegen, arbeite ich mit meist selbst geschaffenen Modi und fühle
mich bei der Arbeit im Vokalbereich einer zeitgemäßen Gesanglichkeit
und Textdeutung verpflichtet.“
Der Ballo per organo, geschrieben 1993, stellt ein großes, nächtliches
Tanzfest dar, zu dem Wolfgang Sauseng der Film „Viridiana“
von Louis Bunuel, „Die Maske des roten Todes“ von E.A.Poe
und Texte italienischer Tanztheoretiker des XV. Jahrhunderts inspirierten.
Neben „Dignissime madonne“ treten bei diesem Fest auch
rüde Gestalten und Bettler auf, die ein Sauflied von Pierre Attaignant
anstimmen. Martin Luther schreibt 1524: „Mitten wir im Leben
sind mit dem Tod umfangen.“ So tritt auch der Tod zur Tür
herein, um sich eine kleine Weile mit den anwesenden Gästen im
Tanz zu erfreuen.
Guy Bovet (* 1942), Trois prèludes hambourgois
Guy Bovet ist vorwiegend als Konzertorganist tätig.
Er wirkt an der Stiftskirche von Neuchâtel, an der Basler Musik-Akademie
sowie an der Universität von Salamanca. Als Kurator unterrichtet
er auch an der Orgel in Romainmotier (Schweiz). Bovets Kompositionen
sind überwiegend Auftragswerke.
Über das erste Stück der Trois prèludes hambourgois
– Salamanca – schreibt der Komponist: „Es ist ein
salmantinisches Volkslied, genannt La Clara, das dem Stück zugrunde
liegt. Dieses Lied erzählt die Geschichte einer Frau von zweifelhaftem
Ruf, die, vor dem Hochaltar sitzend, Gott um Vergebung bittet. Jahrelang
wurde es mir in Salamanca immer wieder als Improvisationsthema gegeben,
bis ich es schließlich einmal aufschrieb (die Arbeit geschah
in Cincinnati, Ohio) und dann mit gutem Grunde in nachfolgenden Konzerten
ablehnen konnte. Das Stück ist so angelegt, dass man es auf einer
klassischen spanischen Orgel mit kurzer Oktave und geteiltem einzigen
Manual ohne Pedal spielen kann. Den Kirchendienern der Kathedrale
Salamanca gewidmet, deren Wohlwollen und Toleranzpegel gegenüber
tagelangem unaufhörlichem Orgelklang (während meiner Kurse
an der Universität von Salamanca) durch dieses Stück beträchtlich
gesteigert wurde.“
Der Hamburger Totentanz entstand in einem Improvisationskonzert zu
zweit mit dem Kollegen Hans Gebhard in einer Kirche der Hansestadt.
Die Ostinato-Figur ist von einem Harmoniezyklus getragen, der sich
immer wiederholt. Die Registrierungen bewirken ein Crescendo, einige
spezifische Spezialklänge sind eingebaut, ebenso wie folgende
Zitate: Barcarole von Offenbach, Für Elise und das Leitmotiv
aus dem fliegenden Holländer, welches beim Einfahren jedes Schiffes
in den Hamburger Hafen über die Lautsprecheranlage erklingt."
Manuela Erlinger
ist seit 1999 Stiftskapellmaestra des Kollegiatstiftes Eisgarn in
Niederösterreich. Sie gestaltet dort regelmäßig eine
Orgelkonzertreihe mit thematischen Schwerpunkten (1999 „Die
Orgelmusik des 20. Jahrhunderts“, 2000 „Den Bach runter
– von Bach, über Bach“, 2001 „Tanz in der Orgelmusik“,
2002 „Ihr sollt nach meinen Pfeifen tanzen“) und erarbeitet
mit der Stiftskantorei Eisgarn Kirchenmusik- und Konzertprogramme.
Manuela Erlinger studierte Kirchenmusik, danach Konzertfach Orgel
bei Michael Radulescu an der Universität für Musik in Wien,
1995 Auslandssemester in Hamburg, 1998 Studienabschluss. Konzerte
seit 1986 in Österreich, Deutschland, Rumänien, der Slowakischen
Republik, Polen und Schottland. Seit 2002 unterrichtet sie im Musikschulverband
Bisamberg/Leobendorf. Soeben erschienen ist ihre CD „Walzer,
Polka, Dancing Feet“ – Tanz in der Orgelmusik (Orgel solo).
Letzte Aktualisierung:
03.01.2007
|