Totentanz der Monate Juli/August 2011
Der Totentanz in der Schedel'schen Weltchronik
In den Totentänzen der 1480er Jahre wurden die prozessionsartigen Aufmärsche todgeweihter Ständevertreter um Darstellungen vergnügter Skelette ergänzt, die auf dem Friedhof Ihresgleichen zum Tanz aufspielen. Forscher nennen derartige, größere Figurenfolgen einleitende Szenen Beinhausmusik.
Bekannter ist der oben abgebildete Holzschnitt aus der 1493 in Nürnberg veröffentlichten Weltchronik des Hartmann Schedel (1440-1514). Hier steigen die Verstorbenen unmittelbar vor dem Weltgericht aus ihren Gräbern, um ausgelassen zu feiern. Heute entsteht leichthin der Eindruck, bei der Albrecht Dürer (1471-1528) zugeschrieben Szene handle es sich um frühe Vertreter der "Spaßgesellschaft". Im Sinne des Erfinders war das wohl kaum. Die lateinische Erstausgabe zitiert ein Francesco Petrarca (1304-1374) zugeschriebenes Gedicht: "Es gibt nichts Besseres als den Tod, nichts Schlimmeres als ein übles Leben. Der Tod der Menschen ist ein ewiges Ausruhen von den Mühen." In der sechs Monate später erschienenen deutschsprachigen Fassung gebraucht der Autor weniger schöne Worte. Er mahnt den Leser zu gottgefälligem Leben, spricht vom "kotigen" Leichnam als "Sündensack", bevor – nach einmaligem Umblättern – beim Jüngsten Gericht entschieden wird, wer in den Himmel, wer in die Hölle kommt.
Für Dürer und seine Zeitgenossen war das Jenseits sehr real, sehr nah. Dennoch tauchten vergleichbare, "Beinhausmusik" genannte Szenen erst nach 1500 in monumentalen Totentänzen auf. Was dort aber wegbleibt ist die barbusige Leiche, die wollüstig ihre Gedärme baumeln lässt.
Frühere Totentänze des Monats:
Letzte Aktualisierung:
12.07.2011
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