Die Totentanzsäulen auf dem Gertraudenfriedhof in Halle a. S.
Längst nicht alle Totentänze sind paarig angelegt oder gar mit Dialogtexten versehen. Es genügt vollauf, wenn der als handelnde Person dargestellte Tod unterschiedlichte Vertreter der Gesellschaft anführt oder in seinen Bann zieht. Vor dem Krematorium des seit 1912 errichteten Gertraudenfriedhofs in Halle an der Saale stehen zwei riesige Säulen, deren Reliefbänder Richard Horn (1898-1989) entwarf und ausführte. Wer den Hauptaufgang zur Feierhalle benutzt und zuerst die Darstellungen auf der rechten Seite betrachtet, erkennt sofort, worum es sich handelt: Der Ritter Tod spielt den Lebenden mit seiner Geige auf zum Tanz. Der dazugehörende Zweizeiler lautet:
DER STOLZE MUSIKANT ACHT' HERR UND KNECHT GLEICHVIEL
GOTT GEB DASS ER DEREINST UNS SÄNFTIGLICH AUFSPIEL
Seit Jahrhunderten belehren Totentänze das Publikum, dass alle Menschen sterben müssen. Der Feststellung dieser Tatsache, schließt sich in Halle - wie schon im Mittelalter üblich - die Hoffnung auf ein gutes Ende an. Doch bislang hat noch niemand das vollständige Figurenprogramm beschrieben oder gar entschlüsselt. Die Inschrift auf der gegenüberliegenden Seite scheint leicht verständlich, könnte aber auf eine mystische Vorlage hindeuten:
EIN FÜNFFACH STERBEN IST DEN MENSCHEN ZUBEREIT
DES LEIBES - DER EHRE - DER WELT - DER SEEL - DER EWIGKEIT