Der Basler Totentanz gehört zu den berühmtesten Kunstwerken des Mittelalters, obwohl man darüber gerade sowenig weiß wie über den heiligen Gral. Mangels besserer Alternativen zeigen selbst Fachleute Matthaeus Merians Bilder von 1649 und wiederholen sinngemäß, was der Frankfurter zur Entstehungsgeschichte schrieb:
"Es ist aber solches ein altes Monument vnd Antiquitet, welche (wie gründlich darvor gehalten wirdt) bey Zeiten Käysers Sigismundi in dem grossen Concilio allda gestifftet worden von denen anwesenden Vättern und Praelaten/ zur Gedächtnuß deß grossen Sterbens oder Pest/ so allda Anno MCDXXXIX. in noch wehrendem Concilio grassirt/ vnd sehr viel Volcks weggerissen hat/ darunter auch etliche vomehme Herren Cardinäl vnnd Prwlaten waren/ Sintemalen gemeldtes Concilium angefangen Anno 1431. vnder Papst Eugenio IV.) hat gewährt 17. Jahr/ neun Monat/ vnd und siebenvndzwanzig Tage/ welche allda/ vnd meistetheils in der Carthäuser Kirch im Mindern Basel begraben ligen."
Merians Hinweis, allgemein nehme man an, Kaiser Sigismund habe den Totentanz während des Basler Konzils zur Erinnerung an die Pest gestiftet, schränkt den Wert der Quelle ein. Tatsächlich liegen keine zeitgenössischen Dokumente zur Auftragsvergabe vor.
Fest steht, die Wandmalereien auf der Friedhofsmauer des Predigerklosters sind zerstört wie diejenigen im Kreuzgang der Dominikanerinnen auf der gegenüberliegenden Kleinbasler Rheinseite. Historische Abbildungen zeigen ausnahmslos den Zustand nach der Reformation. Was darauf zu sehen ist, muss vorher in vielen Fällen anders gewesen sein.
Leider erweisen sich auch die 1805 abgenommenen, im Historischen Museum Basel ausgestellten Malereifragmente als unsichere Quelle. Nur 6 (?) von 19 zeigen die unterste Farbschicht. die bezeugt aber doch, dass sich das Personal grundlegend veränderte: Unter der Königin, entdeckten Restauratoren einen Kardinal.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts rekonstruieren Literaturwissenschaftler den Totentanz als vierzeilige oberdeutsche Dichtung, die - den ältesten Handschriften zufolge - aus 24 Strophenpaaren bestand, nicht aus etwa 40 Szenen wie die jüngeren Drucke. Man darf annehmen, dass die Lebenden die Reihe der Ständevertreter im Lauf der Zeit ihren Bedürfnissen entsprechend erweiterten. Wer nun aber wissen will, wie die Basler Wandmalereien vor der Reformation aussahen, muss die ältesten Zeugnisse mit den Blockbüchern und Emanuel Büchels Wiedergabe der Darstellungen im Kleinbasler Frauenkloster Klingental vergleichen.
Denkt man über den oberdeutschen Sprachraum hinaus, könnt der älteste monumentale Totentanz Basels freilich auch ein Kettenreigen gewesen sein, wie ihn die Figurenfolgen in Berlin und Reval (Tallinn) bis heute andeuten. Mit Verbreitung des Buchdrucks lösten sich die langen Reihen schlicht in paarige Szene auf.