Der Hohnsteiner Totentanz von 1931/32 ist ein gut gehütetes Geheimnis, weil die Kirchgemeinde den Schlüssel nicht an Fremde abgibt. Folglich kennt kaum jemand das Fresko von Christian Rietschel in der Friedhofskapelle zu Füßen der Burg. Touristen können mit Geduld und Glück unmittelbar an der Oberen Straße eine Entdeckung machen.
Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts sind unterwegs zum Baum des ewigen Lebens. Das umlaufende Schriftband beginnt links hinter der Eingangstür mit einem Bibelzitat. Kinder eröffnen den Figurenreigen. Ihnen schließt sich ein Jüngling als Bannerträger an. Aktive Männer folgen ihm nach. Der Ehrenplatz an vorderster Stelle gebührt dem Greis, dem ein Engel die Märtyrer-Krone präsentiert. Durch das Fenster hinter dem Altar strahlt im Idealfall die Sonne.
Zum Frauenreigen auf der Südwand heißt es: "Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben." Eine Greisin nimmt die Spitzenposition ein, doch der gebückten Alten streckt der Engel nur ein Kreuz entgegen. Verschleierte Diakonissen schließen sich an. Zwischen den Fenstern birgt eine junge Mutter ihr Baby an der Brust, während ihre Begleiterin den Blick des Betrachters sucht. Beide sind mit langen Röcken züchtig gekleidet. Vor der Tür endet der Fries mit Kleinkindern, die einander an den Händen halten.
Über dem Ausgang steht: "Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingeht, der wird selig werden", entsprechend der Lutherbibel von 1912. Tatsächlich wartet am Ende der Bilderfolge das offene Grab genau wie in so manchem mittelalterlichen Totentanz.