Lange galt Mary Wigman (eigentlich Marie Wiegmann) als berühmteste deutsche Tänzerin. Abgesehen davon steht ihr Name mit wenigstens zwanzig makabren Choreographien in Verbindung. Zum Thema kam die gebürtige Hannoveranerin noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Dresden-Hellerau. 1913 lernte sie in Ascona Rudolf von Laban kennen, der sie zu seiner Assistentin in Zürich machte. Für ihn war der Tanz ein völkisches Ritual, das den Führerkult einschließt.
30-jährig trat die spätere Mary Wigman mit dem Solo "Der Tod" auf. Im Folgejahr stand die "Danse macabre" von Camille Saint-Saëns auf dem Programm. Ab 1917 ging es dann um "Das Opfer". 1919 hieß das Motto "Der Ruf". 1921 lässt sich die erste eigene Choreographie für eine Gruppe nachweisen: "Sieben Tänze des Lebens", darunter "Tanz der Leides", "Tanz des Dämons", "Tanz des Todes" und zuletzt "Tanz des Lebens". Antikriegsstücke enden bekanntlich anders.
Bis 1926 reifte dann der im Dresdner Schloss uraufgeführte "Totentanz" der Mary Wigman zur Musik von Will Goetze. Ernst Ludwig Kirchner zeichnete bei den Proben, bevor das obige Ölbild entstand. Offenbar traten acht Tänzerinnen auf, die allesamt Masken von Victor Mayito trugen. Die Choreographin steckt im gestreiften Kleid. Ihr gegenüber nähert sich das tierische Wesen, das die Primadonna zu Fall bringen kann.
Schon bald darf kein Zweifel mehr an der Weltanschauung der Wigman bestehen. Sie inszenierte den Kampf zwischen Gut und Böse, machte die Bedrohung durch den Feind sichtbar und forderte zum heldenhaften Selbstopfer auf. Ihre Totentänze sind keine Jugendsünde. Sie beruhen auf der nationalistisch-rassistischen Ideologie Hitlers und seiner Vorlüufer.