Archäologische Funde aus Ägypten, Bilder und schriftliche Quellen bezeugen, dass Musik und Tanz von jeher zum Totenkult gehören. In Zürich gilt das Sechseläuten nun aber als Frühlingsfest der Zünfte, die längst keine Handwerkerverbände mehr sind. Zum Höhepunkt verbrennen die Verantwortlichen den Böögg, der den Winter verkörpert. Kaum einer denkt daran, dass eine symbolische Hinrichtung stattfindet, eine Opferhandlung, deren Wurzeln Jahrtausende in die Vergangenheit zurückreichen.
Die Bezeichnung Totentanz drängt sich aus verschiedenen Gründen auf. Einerseits umrunden die Zunftmitglieder und ihre Gäste zuerst die Feuerstelle hoch zu Ross, letztlich also den Leichnam. Sie wiederholen, was Geschichtsschreiber über die Beisetzung des Angelsachsen Beowulf und des Hunnen Attila berichten. Anderseits findet anlässlich der Verbrennung nicht nur ein Ball, sondern eine größere Zahl von Tanzveranstaltungen statt.
Rituell sind die Grenzen vom Umkreisen des vernichtenden Feuers zum Reigen um den Toten fließend. Nur in Zürich versammelt sich alle Welt, um dem Ende des Winters beizuwohnen. Andernorts sterben der Böögg und die mit ihm verwandten Strohbären weniger spektakulär. Sie sind entweder todgeweihte Sträflinge in Ketten oder gemeingefährliche Tänzer, die es zu besiegen gilt.
Zum besseren Verständnis sollte man wissen, wie der Tod höchstpersönlich vor dem Ende des Mittelalters dargestellt wurde. Nördlich von Rom und südlich der Alpen etwa in Florenz, aber auch im keltischen Einflussgebiet war er ein wilder Mann mit zottigem Haar. Das Sechseläuten entpuppt sich als Hinrichtung "in effigie", genauer symbolische Verbrennung dessen, der das Leben beendet.
Unsere Überschrift variiert die Zürcher Website www.tanz-de-böögg.ch. Artikel zum Thema enthalten Heft 106 und 215.